Aufgewachsen in einer scheinbar rein heterosexuellen Kleinstadt hat mich trotzdem schon in meiner Jugend das Thema gleichgeschlechtliche Liebe fasziniert. Da ich als Jugendliche eine große Theoretikerin war, blieb es lange Zeit bei der Theorie. Woher aber überhaupt die Motivation kam oder was konkrete Auslöser für mein Interesse waren, kann ich im Rückblick nicht ausmachen. Vielleicht einfach die simple Tatsache, dass ich bisexuell bin und es auch schon war, bevor es mir bewusst wurde?
Dass ich selbst bisexuell und nicht heterosexuell bin, wurde mir mit Anfang zwanzig bewusst. Meine erste sexuelle Erfahrung mit einer Frau hatte ich ein paar Jahre später. Eine Beziehung mit einer Frau zu leben, konnte ich mir damals aber nicht vorstellen. Beziehungen hatte ich ausschließlich mit Männern. Diese Tatsache und auch meine Einstellung dazu änderten sich erst, als ich mich mit Mitte/Ende zwanzig zum ersten Mal in eine Frau wirklich und heftig verliebte.
Mein Umfeld (sowohl in Köln als auch die Freunde aus der alten Heimat), das mich bis dahin immer als heterosexuell wahrgenommen hatte, ging mit der Tatsache, dass an meiner Seite plötzlich eine Frau und kein Mann war, sehr gelassen um. Allerdings wurden auch keine Fragen gestellt, als ich nach dieser Beziehung wieder mit Männern zusammen war, lange Jahre ausschließlich wieder mit Männern. Warum ausschließlich Männer? Hauptsächlich wohl deshalb, weil ich mich in heterosexuellen Kreisen aufhielt und es eben Männer und keine Frauen waren, die mir Avancen machten. Bis heute ist es übrigens so geblieben, dass meine sexuellen Kontakte zu Frauen (egal ob One-Night-Stand, Affaire, Liebschaft oder Beziehung) immer auf meine Initiative hin zustande kamen. Bei Männern war ich fast nie die, die die Initiative ergriff; da habe ich eher reagiert.
Tatsächlich aber sehnte ich mich in diesen mehr als zehn Jahren mit Beziehungen zu Männern auch immer wieder nach einer Frau. Meinen männlichen Beziehungspartnern habe ich das stets verschwiegen – um Fragen zu vermeiden, von denen ich glaubte, dass sie mir hätten unangenehm werden können. Je mehr Zeit verging, umso stärker habe ich die Tatsache, dass ich bisexuell bin, verdrängt. Aber ganz verdrängen ließ es sich natürlich nicht und als wieder einmal eine Beziehung geendet war und ich mich nach der Trennung sehr stark auf mich selbst konzentrierte, kam alles Verdrängte wieder zum Vorschein.
Das war dann auch der Zeitpunkt, als ich zum ersten Mal zu einem uferlos-Treffen gegangen bin. Nicht, weil ich Rat gesucht hätte, sondern um andere Bisexuelle kennenzulernen und um Frauen zu treffen, mit denen ich gemeinsam auf Frauenpartys gehen könnte. Heute ist das Thema Bisexualität für mich wirklich ein alltägliches Thema. Ich bin nicht bei allen und jedem geoutet und sicherlich halten mich heute, da ich in einer Beziehung mit einer Frau lebe, viele für lesbisch. Aber auch, wenn ich nie Interesse daran hatte, mit Männern und Frauen zur gleichen Zeit zusammen zu sein, bin ich doch nach wie vor bisexuell, ich bin nicht früher hetero gewesen und heute lesbisch, ich bin bi.
Bisexualität und eine monogame Beziehung müssen kein Widerspruch sein. Dass meine Freundin lesbisch ist, bedeutet nicht, dass ich es auch bin. Das ich meine Bisexualität thematisiere und nicht verschweige, führt bei mir aber dazu, dass ich gar kein Bedürfnis habe, meine Sexualität mit beiden Geschlechtern auszuleben. In der Zeit, in der ich meine Bisexualtiät verschwieg, war das anders.
Ich bin glücklich, dass ich heute zu meiner sexuellen Orientierung stehen kann und dass die meisten Menschen in meinem Umfeld damit kein Problem haben (auch wenn sie es nicht alle verstehen können). Und ich bin glücklich, dass ich meine Bisexualität in meiner Beziehung nicht verschweige.
Denn das ist der Punkt, den ich wirklich bedaure und auch bereue: Dass ich früher meine männlichen Beziehungspartner in dem Glauben gelassen habe, ich sei heterosexuell. Einen Teil von sich zu verleugnen heißt auch, sich unfrei zu machen. Die Annahme, das Verschweigen der Bisexualität sei der für mich einfachere Weg, war sehr kurzfristig gedacht. Heute weiß ich es besser, zum Glück!