Bi-ographien - Peter K.

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Gewußt habe ich es eigentlich ab meinem 12. Lebensjahr. Die schreckliche Pubertät begann und die kreisenden Hormone bewirkten plötzlich ein starkes Interesse für andere, vornehmlich gleichaltrige Jungs. Etwas belesen auf diesem Gebiet tat ich das als " homosexuelle Phase " ab, die wohl alle 12-/ 13- Jährige betraf, und dachte, das gibt sich.

Nachdenklicher wurde ich, als die vermeintliche Phase mit 18 und älter immer noch nicht vorbei war, obwohl sich mein Interesse und Bemühen auf Mädels richtete. Klar kannte ich auch schon mit 13/ 14 den Begriff " Bisexualität ", der damals vor allem im Zusammenhang mit Pop- und Rockstars a la´ David Bowie, Marc Bolan, Lou Reed und Mick Jagger Furore machte. Aber ihn auf mich selbst anzuwenden, mir einzugestehen, daß ich selbst davon betroffen war, dazu bedurfte es einiger Jahre. Erst in den 90-igern kam ich in Gesprächen mit einem Freund dazu, demjenigen, mit dem ich " es " schon seit Mitte der 80-ziger heimlich tat, was mir in der ersten Zeit heftige Gewissenskonflikte brachte. Ich konnte lange nicht von meinem heterosexuellen Selbstbild lassen, das durch mehrere langjährige Beziehungen ( inklusive einer Heirat ) mit Frauen so schön untermauert wurde.

Erst die Trennung von meiner ( Ex- ) Frau vor fünf Jahren, der damit verbundene Fall ins Bodenlose und Zusammenbruch meiner scheinbar so heilen Welt machten mich nach und nach bereit für den Schritt in die Offenheit.

Zunächst kam die Flucht in die scheinbar einfachere schwule Welt, die sich zunehmend als bunt und faszinierend erwies. All die damals schönen Orte der Kölner Szene habe ich nach und nach erkundet und bin in Ihnen, heimlich natürlich zunächst noch, abgetaucht. Toll fand ich die Parties, das Schulz, die Saunen und Kneipen sowie ab 2000 auch die schwule Internet- Welt.

Aber wie es weitergehen sollte, das hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen können. Daß es in Köln eine Bi- Gruppe gibt, las ich so Mitte 1998 zum ersten Mal ( ich glaube es war in der Stadtrevue ).

Kurz darauf tauchte ich zum ersten Mal auf einer Uferlos- Party auf, war von dieser aber weder hinsichtlich des Ablaufs noch des Publikums oder Andrangs beeindruckt.

Dies führte dazu, daß ich die Bi' s erst mal wieder aus den Augen ließ. Im Januar 2000 wurde ich so heftig krank, wie ich es in meinem Leben vorher noch nicht gewesen bin. Ich fing an mir Gedanken zu machen, warum ich gesundheitlich eigentlich so anfällig geworden war und das es notwendig sei, gegen zu steuern. Aber eine richtige Idee hierzu hatte ich eigentlich nicht.

"Aber wie es weitergehen sollte, das hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen können".

Vom offenen Gesprächskreis der Bi- Gruppe wußte ich auch schon länger. Dort hinzugehen hatte ich mir immer wieder vorgenommen, aber erst im April 2000 ist es dazu gekommen. Es sollte ein Versuchsballon sein. Einmal zu hören, wie andere mit ihrer Bisexualität umgingen und vielleicht ein paar Tipps für mich heraus zu ziehen, war mein Ziel. Klar war ich im Gespräch wesentlich mehr hetero als schwul ( so 70 zu 30 ) und offen leben wollte ich schon gar nicht.

Aber ich saß schnell in der "Falle ". Ich sah, daß viele Leute Ihre Bisexualität ganz und gar nicht ( mehr ) versteckten, offen damit umgingen und lebten. Ein Denkprozeß kam in Gang, und es fing langsam in mir an zu brodeln. Ich begann mich gedanklich dem bis dahin Undenkbaren zu nähern und machte Planspiele - wie es denn sei, wenn ich mich auch oute, wie meine Freunde und Familie reagieren würden, wie mein weiteres Leben verlaufen könnte.

"Einmal zu hören, wie andere mit ihrer Bisexualität umgingen und vielleicht ein paar Tipps für mich heraus zu ziehen, war mein Ziel."

Die Entscheidung fiel ( es mag kitschig klingen ) am Abend der CSD- Parade des Jahres. Ich ging erschöpft, aber glücklich nach Hause, entkam dem Gewitter, welches am Abend das Straßenfest ertränkte, und wußte, was ich zu tun hatte. Dieser Tag, den ich zu den wichtigsten meines Lebens zähle, hatte mir einen Kick gegeben, wie ich ihn in dieser Intensität vielleicht mein ganzes bisheriges Leben nicht gespürt hatte. Auf diesem Wagen glaubte ich zu verschmelzen mit all den Menschen, die an diesem Tag zu dem standen, was sie sind, und wollte nur noch genau so sein.

Klingt sehr pathetisch, nicht wahr? Ist es auch, aber ich stehe dazu. Was kam, ist ein kleines, aber sehr wichtiges Stück meiner persönlichen Geschichte. Nach und nach outete ich mich im gesamtem Freundeskreis und in der Familie.

Auch die Nachbarn und meinen Vermieter nahm ich nicht aus, schon um den Rücken frei zu bekommen. Die Qualität meiner Freunde zeigte sich dabei unmittelbar; nicht einer schnitt mich oder kündigte die Freundschaft auf. Auch die Nachbarn haben keine Probleme damit. Die einzige, die sich etwas schwer damit tut, ist meine Mutter, vielleicht auch weil aus der Traum von Enkeln, deren Vater ich bin. Am Arbeitsplatz wissen einige Leute Bescheid, ansonsten hänge ich die Angelegenheit nicht an die Glocke, auch weil Dienst Dienst ist und Schnaps eben Schnaps.

Natürlich geht das Alltagsleben weiter, und die Zeiten werden im Moment bekanntlich nicht gerade besser.
Aber ich denke, das man Druck von außen viel besser aushält, wenn man mit sich selbst im Reinen ist, d. h. keinen wichtigen Teil seiner Persönlichkeit versteckt. Ich habe mir vor drei Jahren eine große Tür geöffnet, von der ich nicht ahnte, daß es sie geben könnte. Seitdem lebe ich freier und selbstbestimmter. Ich wünsche allen anderen auch den Mut hierzu.